Donnerstag, der 22.08.2019

von Elmar Podlasly

DER BETTELPOET (THE BELOVED ROGUE, USA 1927, Regie: Alan Crosland)

Der Bettelpoet (Foto: Förderverein Filmkultur Bonn e.V.)

Je suis Françoys, dont il me poise,

Né de Paris emprès Pontoise,

Et de la corde d’une toise

Sçaura mon col que mon cul poise.

François Villon

Paris im 15. Jahrhundert: François Villon (John Barrymore) ist zugleich Stolz und Schrecken von Paris. Von den Reichen für seine Dichtkunst bewundert, von den Armen als saufender Schelm geliebt.

Er wird von den Massen auf den Straßen von Paris zum König der Narren gekrönt. Im Übermut der Feier beleidigt er den Herzog von Burgund (Lawson Butt) mit einem Gedicht, weil dieser die Feier abbrechen lassen will. Der Beleidigte verlangt nach Villons Kopf, doch König Ludwig XI. (Conrad Veidt), verschont Villons Leben, aber verbannt ihn aus Paris. Das bricht Villon das Herz, ist er doch mit Paris untrennbar verbunden. Er lässt sich mit einigen seiner Getreuen in einem Gasthaus außerhalb der Stadtmauern nieder, wo ihm aber die Poesie nicht mehr so recht glücken will. Als eine Proviantlieferung, die für den Hof bestimmt ist, an dem Gasthof halt macht, ergreift Villon die Chance für einen weiteren seiner Streiche. Er und seine Leute stehlen den Proviant, erklimmen damit die Stadtmauer und nutzen ein Katapult, um den Proviant ins Armenviertel zu katapultieren, womit Villons Reputation erneut gefestigt ist, denn die Armen erkennen sofort den „Stil“ ihres Wohltäters:

„God and His saints might send us bread- but only Villon would think of brandy!“

(Zwischentitel)

Beim Abschuss der letzten Ladung werden sie von der Wache gestört und Villon versehentlich in die in die Kammer von Charlotte, (Marceline Day) einem Mündel des Königs, katapultiert. Der König, der seine Entscheidungen nur auf die Empfehlungen eines zweifelhaften Astrologen stützt, hat Charlotte gegen deren Willen dem Herzog von Burgund zur Frau versprochen, nichtsahnend, dass dieser die Absicht hat, ihn vom Thron zu stoßen. Charlotte erkennt Villon nicht, aber liebt seine Gedichte. Villon verliebt sich in Charlotte und flieht mit ihr aus dem Königspalast. Sie verstecken sich im Hause seiner Mutter. Dort wird Villon verhaftet. Es gelingt ihm jedoch, den abergläubischen König davon zu überzeugen, dass er prophetische Qualitäten besitzt, so das dieser ihn als Berater anstellt und nicht hinrichten lässt. Als kurz darauf der Herzog von Burgund Charlotte entführen lässt, will der von seinem Astrologen immer noch schlecht beratene König nichts unternehmen, so das Villon die Sache selbst in die Hand nehmen muss. Immerhin hat er seine eigene Armee, die Armen der Stadt…

Ein wundervoller Abenteuer-Action-Film, der seinerzeit bei Kritik und Publikum durchfiel und vielleicht deshalb schnell in Vergessenheit geriet. Die Fans von John Barrymore, der auf romantische Rollen spezialisiert war, waren nicht begeistert, ihn in einem Film zu sehen, der eher zu Douglas Fairbanks gepasst hätte. Vielleicht war aber auch seine bescheuerte Frisur schuld. Der Film galt lange als verschollen, bis Ende der 60er Jahre eine Kopie wieder auftauchte.

John Barrymore und Conrad Veidt, beide auch erfolgreiche Bühnenschauspieler und letzterer in seinem ersten amerikanischen Film, übertrumpfen sich hier gegenseitig was die Darstellung ihrer Figuren angeht, sind sie doch das genaue Gegenteil voneinander. Barrymores Villon ist schnell, leichtfüßig und burlesk. Er klettert Mauern mit bloßen Händen rauf und tänzelt sich durch den Film. Sein Make-Up gibt ihm dazu noch etwas Katzenhaftes. In einer Folterszene, von der man sich fragt, wie sie durch die Zensur gekommen ist, macht er auch eingeölt und nur mit Lendenschurz bekleidet eine sehr gute Figur. Von dem Moment seiner Verbannung abgesehen, ist er eigentlich immer gut gelaunt. Conrad Veidts König Ludwig XI hingegen ist langsam, gebrechlich, kränklich und muss gestützt werden. Veidt schafft es dabei irgendwie, nur halb so groß zu wirken, wie er wirklich war. Dabei hat er ein gequältes, leicht irres Grinsen im Gesicht und man traut ihm jede Grausamkeit zu. Er ist besessen von seinem Gauben an die Astrologie.

Der Legende nach war es Barrymore, der Conrad Veidt zu diesem ersten Gastspiel in Hollywood überredete, weil er ihn unbedingt für diesen Film haben wollte.

Der vielleicht größte Star des Films sind jedoch die unglaublichen Bauten des Films, die auch in einen Tim Burton-Film passen würden. Der legendäre Production-Designer William Cameron-Menzies (der später auch als Regisseur arbeitete) schuf die überzogen hohen Stadtmauern, die übertriebenen Bauten und schrägen Türme einer Märchen-Version des mittelalterlichen Paris, die stets nicht nur Kulisse, sondern auch Teil der Action sind. Villon klettert ständig darin herum, rutscht Geländer herunter, springt mit Anlauf aus Fenstern in Schneehaufen oder Bäume. Der Film ist ganz auf die Agilität seines Hauptdarstellers ausgelegt, der ständig in Bewegung zu sein scheint. Das Ganze hat trotz einer Länge von fast 100min ein ordentliches Tempo und hinterließ mich in sehr beschwingter Stimmung, zu der die hervorragende Musikbegleitung von Richard Siedhoff am Flügel und Mykyta Sierov an der Oboe viel beigetragen hat. Einziges Manko des Abends war die schlechte Qualität der gezeigten 35mm Filmkopie, die gerade am Anfang des Films viel zu dunkel war.

Mykyta Sierov, Richard Siedhoff (Foto: Elmar Podlasly)
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